Eine unglaubliche Präsenz zeigt Sol Gabetta und man spürt sie in jedem Ton dieser phantastischen Werk des lettischen Komponisten. Vasks´ Klangwelten entwickeln unter den Händen und der Bogenführung Sol Gabettas eine mitreißende Authentizität, in der sich die Höhen und Tiefen des Lebens spiegeln.
Die Komposition lässt Sol Gabetta Raum, langsam, kraftvoll jeden Ton zu entfalten, das Ohr einzustimmen auf emotionale Dissonanzen, melancholische Abgründe, in denen immer wieder Hoffnungsschimmer aufleuchten, Töne resolut zu zupfen und sie im Pianissimo in ungeahnte Höhen flirren zu lassen. Man beginnt überirdische Glückseligkeit zu ahnen. Musik wird zum Balsam für die Seele.
Der schnelle Mittelsatz verwandelt sich abrupt zum aggressiven Kampfplatz, zum spannenden Intermezzo mit dem Kammerorchester Basel, bei dem Sol Gabetta resolut die Führung übernimmt. Unterbrochen von unterwartenden harmonischen Passagen, werden die aggressiven Tonstrukturen immer wuchtiger. Harmonisch jagen die Tonskalen hinauf, dissonant stürzen ab. Unendlich Leid spiegelt sich in diesen tonalen Grabenkämpfen, die in schwindelnden Höhen neue Glückseligkeiten hoffen lassen, um sofort wieder aus der Tiefe mit schwersten Tongeschützen, rasantesten Tempi torpediert zu werden, die in plötzlicher Stille enden.
Sol Gabetta macht daraus einen tonalen Psychokrimi mit Gänsehauteffekt, der im dritten Teil zusammen mit dem klangschönen Basler Kammerorchester in balsamische Harmonien entschwebt, als folgte der Tod dem Kampfgeschützen als Erlösung. Mit tiefen langgezogenen Strichen und einer schlichten gesungenen Melodie entlockt Sol Gabetta diesen letzten Momente eine betörende spirituelle Innigkeit, die durch ein hauchdünn eisiges Tonflirren in andere Welten verweist. Die Betroffenheit des Publikums ist spürbar. Erst nach einigen Momenten tobt der Applaus mit Standing Ovations für eine strahlende Sol Gabetta, die bei diesem Konzert einmal mehr bewiesen hat, dass sie eine Ausnahmecellistin ist.
©Michaela Schabel
Umrahmt wurde Vasks „Presence“ von Leopold Mozarts „Sinfonia pastorella“ für Alphorn und Streicher und der 7-teiligen Serenade Nr. 9, der „Posthornserenade“ Wolfgang Mozarts, absolut präzise und klangschön artikuliert und dynamisiert vom Kammerorchester Basel mit seinen exzellenten Solisten. Das Adagio gefühlvoll in moderaten Tempi, voll überschäumender Lebensfreude das Minuetto, tänzerisch das Rondo, sehr grazil und fein das Concertando mit brillant, schwerelos Querflöte und Oboe, mit sattem Wohlklang das Fagott in der Tiefe. Dem melancholischen Stimmungswechsel nach d-Moll im Andantino folgte der hoffnungsvolle Ruf des klangvollen „Posthorns“ im Wechsel mit den Streichern und endete schließlich in einem temperamentvollen Finale.
Der unmittelbare Vergleich machte den großen Unterschied zwischen den Kompositionen von Vater und Sohn Mozart deutlich, mehr noch um wie viel stärker als Mozart aus heutiger Sicht authentischer und nachhaltiger Vasks´ Komposition die Seele bewegt.
Michaela Schabel