München – „Erwin Olaf. Unheimlich schön“ – Fotografien in der Hypo-Kunsthalle

Ausstellungsbericht "Erwin Olaf.Unheimlich schön" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Selbstporträt©Erwin Olaf 

Akribisch genau inszeniert Erwin Olaf Porträts und Milieus, teilweise in abgedunkelten Farben und subtilen Lichtwirkungen im Stil der alten Meister, aber mit modernen Sujets. Hinter den makellos schönen Oberflächen blitzt Abgründiges auf, werden gesellschaftliche Verwerfungen sichtbar, entfalten Requisiten eine zauberhafte Poesie mit symbolischem Tiefgang. Freiheit ist der Signalbegriff für Erwin Olaf und zwar „Die Freiheit des Individuums, das nicht von einer bestimmten Gruppe dominiert werden darf.“ Und der einzelne Mensch, der eben nicht immer frei ist, steht im Mittelpunkt seiner Bilder. Die Serie „Black“, u.a. eine Schwarzafrikanerin fotografiert mit Hut à la Rembrandt, eröffnet mit einem Blick die Tragik der Sklaven.

In seinem Frühwerk stieß Erwin Olaf mit seinen provokativ erotischen Bildern über schöne Körper mit Anspruch auf freie Sexualität, in Posen klassischer Malerei inszeniert, gesellschaftspolitische Diskussionen an. Umgekehrt entindividualisiert er die Menschen, wenn er mittels der Morphing Technologie unterschiedliche Gesichter immer ähnlicher werden lässt.

Ständig suchte Erwin Olaf die Balance zwischen Form und Inhalt. In der Serie „Blacks“ agieren Schwarze in einem fiktiven barocken Hofstaat, den es so wegen des Rassismus nie gegeben hat.

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„Black“©Erwin Olaf

Den Trend Adel und Prominente für die Werbung zu gewinnen, ironisiert er in „Royal Blood“ (1990). Er dreht den Spieß um, fokussiert auf das Leid, das Lady Diana und Co angetan wird und fotografiert sie mit Wunden und rot umkreisten Augen wie Märtyrerinnen der Schönheitsindustrie und Publicitykultur. 

Seit der Jahrtausendwende lotet Erwin Olaf die Grenzen zwischen Fotografie und Videos aus, indem er Tausende von Bildern zu einem Film zusammenfügt als Hommage für seine Mutter „Life – For Mom“ oder durch Tulpenbilder als Endlosschleife vom Werden und Vergehen. Aus seiner Werkreihe „Europa“ (2016), eine Auseinandersetzung mit aktuellen Problemen, ist die Installation „Eine Armlänge Abstand“ als kritischer Kommentar zu den Übergriffen auf Frauen zu sehen, auf die der Besucher voyeuristisch über ein Schlüsselloch Einblick bekommt. 

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„Eine Armlänge Abstand“ Erwin Olaf©Michaela Schabel 

In „Deep Skin“ zeigt Erwin Olaf unterschiedlichste Aktmotive von abgemagerten Fashion-Models über welk opulente Altersnacktheit bis zur skulpturalen Schönheit.

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©Erwin Olaf

Für seine große Bildertrilogie „Berlin, Shanghai, Palm Springs“ verließ er sein Studio und fotografierte vor Ort, wobei weniger das Umfeld eine Rolle spielt als die Personen. In Berlin liegt der Schwerpunkt auf Kindern. Ein Mädchen mit blonden Zöpfen in dominanter Pose lässt an Hitlers arischen Wahn denken. In Schanghai fokussiert er auf Erwachsene in ihrem Zwiespalt zwischen Tradition und neuem Lebensstil, in Palm Springs auf den sich auflösenden Traum vom schönen Leben. Die Menschen warten in der Serie „Waitings“ angespannt, kurz davor die Contenance zu verlieren, wohl wissend, dass sich ihr Schicksal gerade sehr verändert. Selbst für die Pandemie findet Erwin Olaf eine zutiefst berührende Inszenierung.

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©Erwin Olaf

Mit am interessantesten und originellsten ist Erwin Olafs neue Serie „Im Wald“, die er 2020 eigens für diese Ausstellung konzipierte. Deutlich stehen der Romantiker Caspar David Friedrich und der Symbolist Arnold Böcklin Pate. Doch anders als in den Gemälden des 19. Jahrhunderts verzichtet Erwin Olaf auf Farbe. In seinen großen Schwarz-Weiß-Fotografien verwandelt sich die bayerisch-österreichische Bergwelt in eine metaphysische Landschaft, in der die Realität unserer Tage zum surrealen Erlebnis wird, wenn zwei Muslima stehend im Boot auf dem See zu ihrer neuen Heimat gerudert werden. 

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„Im Wald“ ©Erwin Olaf 

Die Ausstellung „Erwin Olaf. Unheimlich schön“ ist noch bis 26. September täglich von 10 bis 22 Uhr geöffnet