„Penthesilea“, Salzburger Festspiele 2018©Schauspielhaus Bochum, Monika Rittershaus
„Erinnere dich, Penthesilea“ ist im dreifachen Sinne eine Reminiszenz, an die eigentliche dramatisierte Version Kleists, den Entstehungsprozess der Inszenierung und den neuen Blick auf die Retrospektive, völlig reduziert auf den wesentlichen Kern des Dramas, als sich Penthesilea und Achill ein einziges Mal treffen und sich verlieben. Bei Kleist funktioniert die Liebe nur durch die Täuschung, indem Achill den Unterlegenen spielt. Boenisch enthüllt die Täuschung und eröffnet damit den Kampf der Geschlechter.
In „Erinnere dich, Penthesilea“ sitzen die beiden Protagonisten, nur für den Kampf geboren, wie in einer Lesung gegenüber, doch Körpersprache und Intonation verraten, wie tief das Stück in Sandra Hüller und Jens Harzer dramatisch verankert ist, wodurch sich nicht zuletzt durch die wechselnden Kameraperspektiven ein äußerst spannendes Spiel innigster Schwebezustände der Liebe, ihrer Fesseln und der gemeinsamen Geschichte entwickelt.
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Das Schlachtfeld wandelt sich in eine Projektionsfläche für den Kampf der Geschlechter, wobei sich eine Achterbahn der Gefühle entwickelt. Ohne Armeen im Hintergrund stehen Penthesilea und Achill ganz für sich und ihre Gefühle, außerhalb aller Rollenklischees. Achill weiß, dass er eine Frau werden muss, um der Mann für Penthesilea zu werden. Umgekehrt muss sie ihr männliches Rollenverständnis ablegen, um liebende Frau sein zu können. Beide umkreisen sich im wunderbar dynamischen Kleist-Boenisch-Sprachduktus als Mann und Frau in allen Zwischentönen der ersten Begegnung, in der die Liebe beide in Besitz nimmt. In jedem Moment spürt man die Kraft ihres Spiels.
Mit entwaffnender Jugendlichkeit und Angriffslust, staunender und lachender Mädchenhaftigkeit, mitunter mit ernster Miene setzt Sandra Hüller die Amazonenkönigin faszinierend in Szene.
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Sensibel, so gar nicht als Krieger zeichnet Jens Harzer Achilles. Aus dem kecken Plaudern dringt er ein, warum sie sich so männlich kämpfend gibt, wo ihre Schönheit allein alle Kämpfer zu Boden gehen ließe.
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Zwischen Lächeln und Tränen erzählt sie das Schicksal der Amazonen und er hört fasziniert zu ihr aufblickend zu. Aus der Vergewaltigung der Frauen entstand die siegreiche Dolchrevolte, die den freien Staat der Amazonen mit Verzicht auf Männer begründete, die nach der Begattung durch Gefangene am „Fest der Rosen“ zurückgesandt werden. Berührt von ihrer Geschichte, spinnt er diese weiter. Doch schnell endet ihre aufkeimende Leidenschaft, als sie als seine Gefangene mit ihm gehen soll. Zur Furie wird sie, als er einen zweiten Kampf visioniert, um den Sieger erneut zu ermitteln. Den Tod vor Augen, die Liebe im Herzen erzählt sie diesen Gedankengang noch einmal aus ihrer Sicht, wobei in ihrem vehement intonierten „so, so, so “ erneut die Möglichkeiten der Liebe aufleuchten. Offen endet der Kampf der Geschlechter „Wer bist du wunderbares Weib?“ „Du wirst es schon erfahren.“
Hinter der Bühne: Johan Simons (Regie), Vasco Boenisch (Textfassung) Auf der Bühne: Jens Harzer, Sandra Hüller