"Kultur macht glücklich"


Salzburg-Rossinis „L´italiana in Algeri“

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Salzburg-Rossinis „L´italiana in Algeri“

Mustafà, der Herrscher von Algier, hofft mit einer jungen Italienerin wieder seines Manneskraft zurückzubekommen und will deshalb seine Frau Elvira an den Sklaven Lindoro verheiraten. Auf einem gestrandeten Schiff wird Mustafás Diener Haly fündig. Begleiter von ihrem Verehrer Taddeo, der sich als ihr Onkel ausgibt, sucht die schöne Isabella aus Italien nach ihrem Geliebten. Schicksalsergeben und optimistisch lässt sie sich auf ein Treffen mit Mustafà ein. „Es kommt, wie es kommt“, aber es kommt doch ganz anders, als sich Mustafás Sklave Lindoro als Isabellas Geliebter entpuppt.

Was sich imgrunde völlig abstrus anhört, verwandelt sich unter der Regie von Moshe Leiser und Patrice Caurier in eine Parodie des Machismo mit viel Raum für aktuelle Assoziationen. Der Ruf des Muezzins vor der Ouvertüre entführt in den Orient, und der verblasst schnell im multikulturellen Konzept.

Michaela Schabel besuchte für schabel-kultur-blog.de in den Salzburger Festspielen die Oper "L`Italiana" von Rossini

©Bernd Uhlig

Moshe Leiser und Patrice Caurier spielen mit Klischees, tragen sie ganz dick auf, um sie mit skurrilen Überraschungseffekten und überaus witziger Personenregie zu parodieren, wobei Christian Fenouillats Bühne, die er in eine Altbauwohnung mit arabischen Requisiten verlegt für zusätzliche Schmunzler sorgt. Gerade noch die Wüste über dem Bett, der Suk vor dem Fenster, dampft am Schluss das Traumschiff mit voller Fahrt davon.

Schon während der Ouvertüre rückt Mustafás eigentliches Problem knackig ins Zentrum.  Während im Bilderrahmen über dem Doppelbett  zwei Kamele als witziges Schattenspiel die Dünen hinauf und hinunter balzen und liebestoll in den Wolken landen, bleiben alle Verführungskünste Elviras wirkungslos. Durch eine temperamentvolle Italienerin hofft Mustafà wieder die Begier in sich zu spüren.

Das schafft Cecilia Bartolis Isabella im Handumdrehen. Mit ihrem herausragenden Kolorationsvermögen und  extrem großen Tonumfang, mit ihrem überschäumenden Temperament und schauspielerischen Talent ist Cecilia Bartoli eine Traumbesetzung für diese Rolle. Sie koloriert ihre Partie belcantissimo, mit Herzblut, hinreißend gefühlvoll zart, wenn es um die Liebe zu Lindoro geht, wuchtig, parodistisch zornig in Bezug auf Mustafàs Avancen. Mit Cecilia Bartoli ist Isabella, wie das Libretto formuliert, nicht nur eine ganz und gar ungewöhnliche Frau, sondern auch moderne Frau, die die Schwächen der Männer kennt, den alternden Gockeln mit Charme und Grandezza Lektionen erteilt und sich gleichzeitig mit Elvira solidarisiert. Trotz aller Emanzipation bleibt Bartolis Isabella immer extrem weiblich, ganz im Stil der im Hintergrund projizierten berühmten  Filmsequenz aus Fellinis „Dolce Vita“ mit Anita Ekberg im Trevi-Brunnen.

Isabella Verehrer werden mit  Peter Kálmán als spitzbäuchiger Mustafà und Alessandro Corbelli als dicklicher Taddeo zu herrlichen Opera-buffa-Figuren. Sie sind nicht nur Opfer ihrer sexuellen Begierden, ein ganzer Harem geistert, wie im Bilderrahmen zu sehen ist, in Mustafás Hirn herum. Noch mehr sind die  beiden Opfer ihrer falschen Selbstwahrnehmung. In weißer Unterwäsche, Taddeo mit Superman-Höschen, verwandeln sich unisono, unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund in ganz ähnliche gestrickte Liebhaber-Persiflagen (Kostüme: Agostino Cavalca). Taddeo wird zum Kaimakan, einen arabischen Würdenträger in der verkitschten Pink-Optik eines Fußballtrainers, Mustafà zum Pappataci und mit diesem erfundenen Ehrentitel für einem Mann, dem keine Frau widerstehen kann, mit rosaroter Badekappe und Silberpalme am Kopf zum Volltrottel, von Peter Kálman herrlich tollpatschig gespielt und durch seinen facettenreichen Buffo-Bass-Bariton allein durch die Betonung von „Pappataci“  überaus sympathisch parodiert.

Michaela Schabel besuchte für schabel-kultur-blog.de in den Salzburger Festspielen die Oper "L`Italiana" von Rossini

Als männlich jugendliches Gegenpaar einer neuen Generation agieren José Coca Loza als mafioser Diener und Edgardo Rocha Lindoro als Liebhaber mit Rasterlocken und Italienstirnband. Sein klangschöner Tenor gibt dem Dramma giocoso Momente inniger Liebe. Doch insgesamt herrscht fröhlich inspirierter Nonsense, durch den klangschönen und spielfreudigen Männerchor, einstudiert von Walter Chor, in Erzähl- und Echofunktion stimmlich und schauspielerisch verstärkt. Selbst Rebeca Olvera entdeckt in der Partie Elvira die komödiantischen Elemente und die Rezitative amüsieren durch enorme Artikulationskraft und flexible Tempi der Sänger und bekommen  durch die perlende Begleitung Luca Quintavalles am Hammerklavier eine wunderbar poetische Leichtigkeit.  Unter der musikalischen Leitung von Jean-Christoph Spinosi entwickelt das Orchester mit historischen Instrumenten einen musikalischen Glanz ohne sich vor die Sänger zu drängen. Rundherum ist „L`italiana in Algeri“ eine gelungene Opernkomödie.

Michaela Schabel