©Wilfried Hösl
Ein Frauenmörder ordert seine Opfer via Handy über eine Internetplattform, ein eleganter Chauffeur holt die Damen ab und beseitigt ihre Spuren danach. Mit blonder Perücke, Kettchen mit dem Kreuzanhänger, dem gemeinsamen Merkmal der meisten Opfer, steigt eine Kommissarin (Nina Stemme) in die schwarze Limousine und kommt direkt in der Garage Blaubarts auf der Bühne an.
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Nahtlos geht die Musik vom Konzert in die Oper , die Film- in die Bühnenhandlung über. Nahtlos fügt sich Béla Balázs schlichtes Libretto in den neuen Kontext, indem es Katie Mitchell mitunter wortwörtlich inszeniert. Frauenschreie verorten die Handlung im bester Krimidramaturgie im medialen Heute.
Unter Regie von Katie Mitchell durchbricht Judith die Regeln einer Männer dominierten Gesellschaft, fügt sich nicht in die liebende Dienerrolle. Liebe nur vorspiegelnd öffnet Judith Tür für Tür öffnet, erforscht Zimmer für Zimmer, erleuchtete Räume im schmalen Filmformat, die das Geschehen aus voyeuristischer Perspektive mit Anspielungen auf Gegenwart und Vergangenheit erleben lassen (Bühne: Alex Eales).
Blaubarts Folterkammer ist ein Operationsraum, die Schatzkammer mit Safes bestückt.
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Den Blick auf Blaubarts Imperium inklusive der blutenden Wolken erlebt Judith mit einer D3-Brille. Der „See der Tränen“, ein nüchterner Duschraum erinnert an die Giftkammern der Nazis. Die schönen Vorgängerinnen, „Ja, sie leben“ tatsächlich, vegetieren missbraucht in der Sadomasokammer dahin.
Judith als Kommissarin fällt aus dem Raster, lässt sich nicht vereinnahmen, nimmt das blutdurchtränkte Geschmeide wieder ab. Blaubart muss als Täter die letzte Tür aufschließen und wird mit seiner Tat konfrontiert. Judith befreit die anderen Frauen und erschießt ihn.
Großartig interpretieren John Lundgren und Nina Stemme mit fulminanten Stimmen und kleinen Gesten den Blaubart-Mythos neu. Mit ihren kraftvollen Timbres überstimmen sie selbst die stärksten Fortissimi auch dem Orchestergraben, wo Oksana Lyniv temperamentvoll das ganze dynamische Spektrum auslotet, wunderbar die lyrischen Passagen der Instrumentalisten, insbesondere der Fagotte und Harfe herauskristallisiert, die volkstümlichen Melodien aufleuchten und martialische Klangexplosionen unter mächtigen Trommelwirbeln passgenau zum Bühnengeschehen dazwischenfunken lässt.
Das „Konzert für Orchester“ (1944) der Oper (1918) voranzustellen ist ein gelungener Coup. So ergibt der Vergleich von Alters- und Jugendwerk Béla Bartóks atmosphärische Synergieeffekte, denn im Konzert greift Béla Bartók noch einmal Motive aus dem Blaubart auf und die Videoprojektionen folgen der Dramaturgie des Konzerts, in beiden Fällen ein verwobenes Netz von Motiven und irrlichternden Bezügen. „Judith: Konzert für Orchester/ Herzog Blaubarts Burg“ ist in jeder Beziehung ein überaus gelungener und spannender Opernabend.