"Kultur macht glücklich"


Daniela Dröscher – „Junge Frau mit Katze“

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Daniela Dröscher – „Junge Frau mit Katze“

©Kiepenheuer & Witsch Verlag

Ela hat ihre Doktorarbeit abgegeben, durchfeierte Nächte hinter sich, als ihr Körper zu streiken beginnt und immer…

neue Schmerzsignale aussendet. Der Körper war schon das zentrale Motiv in Daniela Dröschers letztem Roman „Lügen über meine Mutter“. Ela war ein heranwachsendes Mädchen und blickte auf den Körper ihrer Mutter. In ihrem neuen Roman „Junge Frau mit Katze“ fokussiert Ela, inzwischen eine erwachsene Frau, auf ihren eigenen Körper. Das autofiktionale Ich kreist um psychosomatische Prozesse, die immer vielfältiger und komplexer werden. Ihre taffe Hausärztin erkennt die Geißel des Kapitalismus, die entfremdende Überarbeitung, gegen die es keine Pille gibt. Sie rät Ela zur Ruhe und warnt vor dem Irrweg, einen Facharzt nach dem anderen aufzusuchen. Dennoch geht Ela diesen Weg, wobei sie erkennt, wie Körper und Seele aufeinander einwirken. Immer stärker werden die Selbstzweifel bis hin zum intellektuellen Hochstaplersyndrom, ob sie für eine akademische Laufbahn geeignet ist. In den Verhaltensweisen des Katers spiegeln sich die Stimmungen Elas, aber auch das, was ihr fehlt, die innere Ruhe.

Die Beziehung zur Freundin bekommt Risse, als die jeweiligen Bedürfnisse und Nöte zu unterschiedlich werden. Nur der Bruder hilft ihr und die Erinnerung an die Mutter, die noch ab und zu in zweiseitigen Exkursen, symbolisch hervorgehoben durch einen anderen Schrifttyp, auftaucht. 

Als Tochter eines Bergarbeiters wagte sie wegen des sozialen Unterschieds nicht die Liebe zu einem Arztsohn. Sie heiratete einen Arbeiter, der sie in einer konventionellen Ehe dominierte und immer kleiner machte. Aus der exzellenten Schwimmerin wurde eine an den Konventionen Ertrinkende. Erst die Befreiung von der Ehe beendete die Selbstzerstörung. 

Bei Ela ist es das Hamsterrad einer intellektuellen, sie überfordernden Karriere. Sie wagt den Kurswechsel, verlässt den universitären Weg und findet wie die Mutter im Schreiben ihr Selbst. Das Schicksal der Mutter macht ihr letztendlich bewusst, dass schmerzhaftes Aufrecht-Bleiben auf Kosten der eigenen Gesundheit eine Sackgasse ist. 

In zwölf Kapiteln mit vorangestellten philosophischen Zitaten, übertitelt mit Büchern von Autoren, die sich mit dem Körper beschäftigen, offenbart Ela ihre psychosomatischen Schmerzsymptome, die man als Leser durch die Außenperspektive viel schneller durchschaut als die Protagonistin. Dadurch ist allerdings der Leseprozess trotz Dröschers Talent, Fiktion und Selbsterleben subtil zu verweben, stellenweise ermüdend.

Thematisch leistet „Junge Frau mit Katze“ einen bedeutsamen Beitrag zur Selbstfindung der Frau im Stil von Annie Ernaux, vor allem bezüglich der familiären Entfremdung durch Bildung. Darüber hinaus ist der Roman eine Hommage an die reinigende Kraft des Schreibens.

„Es hat geblüht. Und indem ich davon erzähle, blüht es immer noch“. Mit Yõko Tawadas Zitat aus „Abenteuer der deutschen Grammatik“ fasst Dröscher die Botschaft ihres Buches zusammen – Schreiben als Läuterungsprozess, in dem man sich trotz aller fiktiven Ausschmückungen wiederfinden kann. 

Daniela Dröscher (*1977) in Rheinland-Pfalz aufgewachsen, lebt in Berlin. Sie promovierte im Fach Medienwissenschaft an der Universität Potsdam und machte ein Diplom in „Szenischem Schreiben“ in Graz. Ihrem Romandebüt „Die Lichter des George Psalmananzar“ (2009) folgte der Erzählband „Gloria“ (2010), der Roman „Pola“ (2012) und das Memoir „Zeige deine Klasse“ (2018). Sie wurde u. a. mit dem Anna Seghers-Preis, dem Arbeitsstipendium des Deutschen Literaturfonds und dem Robert-Gerhardt-Preis (2017) ausgezeichnet. „Lügen über meine Mutter“ (2022) stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises und ist bald im Kino zu sehen.

Daniela Dröscher: Junge Frau mit Katze, Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2025, 320 S.