"Kultur macht glücklich"


„Sex Now“ – im NRW Forum Düsseldorf

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„Sex Now“ – im NRW Forum Düsseldorf

„Sex Now“ – im NRW Forum Düsseldorf

Pleun van Dijk „Objects of Desire“ 2021 ©NRW Forum, Foto: Nahmlos

Sex, einst Tabu-Thema, gewinnt durch Ausstellungen eine neue Ebene der Wahrnehmung. Mit „Sex Now“ lädt das NRW-Forum Düsseldorf dazu ein…

„Lust, Körper und Begehren in all ihrer Komplexität zu entdecken“, allerdings nur für Besucher ab 18 Jahren. Die Ausstellung versteht sich ausdrücklich als Angebot der Aufklärung in einem Bereich, der trotz sexueller Revolution und Kommerzialisierung noch immer von Ungleichheit und Scham geprägt ist.

In zehn thematischen Räumen mit rund 400 Objekten, von Möbeldesign, Latexmode, Puppen, Toys bis zu künstlerischen Arbeiten zeigt die Ausstellung den Dialog zwischen Sex und Gesellschaft, erotische Fantasien, queere Perspektiven und neue Realitäten frei von Tabus und Stigmata. 

Zu Beginn gibt „Sex Now“ einen historischen Überblick über den Wandel der Sexmoral von den traditionellen Geschlechterrollen über die sexuelle Revolution der 1968er Jahre bis hin zu den aktuellen Debatten. In der Ausstellung verwandeln sich die zur Selbstbefriedigung für Männer konzipierte Sextoys zu autonomen Wesen, die sich gegenseitig selbst befriedigen und so patriachale Machverhältnisse unterlaufen. Die Ausstellung will „einen offenen, humorvollen und zukunftsgewandten Diskurs über Sex anstoßen“, so Alain Bieber, Kurator und künstlerischer Leiter des NRW-Forum, zumal sexuelle Freiheit weltweit gerade wieder sehr unter Druck gerät. „Make Love, Not War!“ 

Es gibt viel zu entdecken.Interaktive Stationen vermitteln spielerisch Wissen und sexuelle Aufklärung, Mythen und Fakten rund um das Thema Sex. Die raumgreifende Installation #Fluffy Library, eine queere Bibliothek der nicht-binären Künstlerin Antigoni Tsagkaropoulou, lädt das Publikum ein, neue Sichtweisen auf Geschlecht, Sexualität und Zugehörigkeit zu entdecken. Hier findet ein monatlicher queer-feministischer Lesekreis statt. 

Das Kapitel #Untenrum widmet sich gesellschaftlichen Klischees bezüglich Zuschreibungen von Geschlechtsidentität und primären Geschlechtsorganen, die lange Zeit kulturell und politisch aufgeladen wurden. Der Penis symbolisiert heute noch Kraft und Kontrolle. Die Klitoris blieb, weil sie keine Rolle in der Fortpflanzung spielte, jahrhundertelang nicht nur aus medizinischer Sicht völlig unbedeutend. 

Das sexualpädagogische Kunstkollektiv Glitterclit vermittelt Körperwissen über anatomisch korrekte Genitalmodelle aus bunten Stoff und Glitzer, die die Besucher zusammen- oder auseinanderbauen können.

Der #MeToo-Bewegung wird ein ganzes Kapitel gewidmet. Die gezeigten künstlerischen Positionen beschäftigen sich mit Gewalterfahrungen, Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen. Die indische Künstlerin und Frauenrechtsaktivistin Poulomi Basu verarbeitet beispielsweise in ihrer multimedialen Arbeit „Fireflies“ ihre eigenen patriarchalen Missbrauchs- und Gewalterfahrungen und die ihrer Mutter. In einer Reihe inszenierter Porträts setzt sie sich mit Missbrauch und Traumata auseinander, die über Generationen hinweg weitergegeben wurden, und mit der Frage, wie man einen Ausweg aus dieser Situation finden kann.

Patriarchale Strukturen durchziehen auch die kommerzielle Pornografie, die unser Bild von Lust, Körpern und Beziehungen weit über mediale Bilder hinaus prägt. Männer werden als unermüdliche Performer und Frauen als passive Objekte inszeniert, deren einzige Aufgabe es ist, die Wünsche des Mannes zu erfüllen. Als Gegenentwurf zur PorNo-Bewegung setzt sich die #PorYes-Initiative für eine einvernehmliche, feministische und gendergerechte Pornografie ein. Eine Auswahl an Filmen von Produzentinnen wie Paulita Pappel oder Erika Lust ist in diesem Bereich der Ausstellung zu sehen.

Einvernehmlichkeit, Vertrauen und Sicherheit sind wesentliche Bestandteile bei sexuellen Praktiken, die sich jenseits gesellschaftlicher Standards bewegen, wie das Kapitel #Kinky zeigt, wo unkonventionellen Vorlieben rund um Macht- und Rollenspiele, Fesseltechniken und gezielte Sinnesreizungen als Teil des Mainstreams gezeigt werden. 

Die eigene sexuellen Wünsche zu kennen und zu befriedigen, spiegelt auf breiterer Basis #SexualWellness mit Schwerpunkt auf Sex Toys. Dildos gibt es seit der Antike. Mit dem technischen Fortschritt kamen in den 1980er Jahren die ersten elektronischen Vibratoren auf den Markt. Bücher wie Nancy Fridays “My Secret Garden” , der Beate-Uhse-Katalog oder Erotikmessen machten weibliches Begehren öffentlich. Die Branche entwickelte sich weiter zu nachhaltigen, app-gesteuerten Hightech-Toys oder erotischen Hörbüchern. Genderfluide Avatare erkunden in virtuellen Räumen neue Formen von Nähe, Begehren und digitaler Sinnlichkeit „Eroticissima“ bietet Besuchern die Möglichkeit, in einem geschützten Raum die Simulation nicht voyeuristisch, sondern interaktiv auszuprobieren. 

Der Blick in die Zukunft ist wenig berauschend. Virtuelle Beziehungen, Dating-Apps oder KI-Sexpuppen ersetzen reale zwischenmenschliche Nähe. #Futuresex vereint unterschiedliche künstlerische Positionen, die sich mit Intimität im Zeitalter digitaler Technologien beschäftigen.

Es ist eine überaus umfangreiche Ausstellung, die die unterschiedlichsten Facetten sexuellen Begehrens und die damit verbundenen Problematiken darstellt und entsprechend begeistert oder partiell ablehnend rezipiert wird. 

Begleitend zur Ausstellung startet das NRW-Forum einen eigenen OnlyFans Account, in dem exklusives Material und Einblicke hinter die Kulissen unzensiert geteilt werden.

„Sex Now“ ist im NRW-Forum Düsseldorf noch bis zum 3. Mai 2026 zu sehen.