©Michaela Schabel
Wer bist du? Wer bin ich? Schnell eine komplexe Spiegelbrille aufgesetzt, um sich und das Umfeld aus neuen Perspektiven zu beobachten oder in…
einen Overall mit Haube geschlüpft, um sich gegenseitig blind zu betasten und neu zu entdecken. Das sind nur zwei Beispiele, wie Besucher hier das kreative Schaffen der brasilianischen Künstlerin Lygia Clark (1920-1988) interaktiv in der großen Retrospektive in der Berliner Neuen Nationalgalerie erleben können.
Über 120 Kunstwerke aus allen Schaffensperioden geben, chronologisch kuratiert, einen Überblick über Clarks vielseitiges Werk von den späten 1940- bis zu den 1980er Jahren. Die Ausstellung beginnt mit den geometrisch-abstrakten Gemälden. Ab 1954 begann sie die Leinwand aufzubrechen, um über reliefartige Bildtafeln eine Verbindung zum Raum herzustellen. Mit der Gründung der neokonkreten Bewegung 1959 in Rio de Janeiro vollzog sie den Schritt in den dreidimensionalen Raum. Kunstwerke wurden als organische Phänomene verstanden. Diese Prinzipien kommen in Clarks „Bichos“ (Tiere) zum Ausdruck. Es sind geometrische, bewegliche Skulpturen, die von den Betrachtern in immer neue Positionen gefaltet werden können. Es folgten ihre „Objetos Sensoriais“ (Sensorische Objekte), darunter Brillen, Masken oder Anzüge, wodurch sich die sinnliche Erfahrung auf den ganzen Körper weitete. Über Ausstellungskopien ermöglicht die Neue Nationalgalerie den Besuchern diese sinnlichen Erlebnisse.
Ende der 1960er-Jahre erarbeitete Clark ihr Konzept des „Corpo Coletivo“ (Kollektivkörpers), das gemeinschaftsstiftende, performative Aktionen beschreibt. Zum Ende ihrer Karriere entwickelte Clark schließlich einen körperbezogenen Therapieansatz, bei dem ihre Kunstobjekte zur Anwendung kamen. Regelmäßig aktivieren Performances das Werk dieser bedeutenden Künstlerin des 20. Jahrhunderts.
Die Ausstellung „Lygia Clark. Retrospektive“ ist in der Neuen Nationalgalerie noch bis zum 12.10. 25 zu sehen.