©Landestheater Niederbayern, Foto: Peter Litvai
Über zwei grandiose Kompositionen, unter der musikalischen Leitung von Ektoras Tartanis, überaus virtuos, subtil und transparent gespielt, erlebte das Publikum einen…
ebenso grandiosen „Sommernachtszauber“. Mit Peter Tschaikowskys „Violinkonzert in D-Dur, op. 35“, und Nikolai Rimski-Korsakows „Scheherazade, op. 35“, wählte Tartanis sehr unterschiedliche und anspruchsvolle Stücke aus der russischen Romantik aus, die bestens geeignet sind für ein sommerliches Open-Air-Konzert im Rahmen der Burgenfestspiele im idyllischen Prantlgarten.
Tschaikowskys „Violinkonzert in D-Dur“, ein klassisches Solokonzert, nach der Uraufführung in Wien 1881 zunächst sehr skeptisch beurteilt, avancierte schnell zum Paradestück hochvirtuoser Geiger, die durch ihr technisches Können die emotionale Tiefe und melodische Schönheit dieser Komposition zum Ausdruck bringen können. Christian Scholl, Solist und Konzertmeister des Landestheaters Passau, mit internationaler Erfahrung und Gründer verschiedener Crossover-Ensembles, beherrscht alle Feinheiten, die Tschaikowskys Partitur zum Leuchten bringen. Mit spielerischer Leichtigkeit wechselt er zwischen anspruchsvollsten Passagen mit gewagt expressiven Tonalitäten, experimentellen Momenten und klangmelodischer Schönheit. Jedes Solo wird zum Hörerlebnis.
Unter Tartanis‘ klarem, sehr stringenten und empathischen Dirigat gelingt ein faszinierend nahtloses, samtenes Ineinandergleiten von solistischen und orchestralen Passagen, in denen Querflöte, Klarinette und Harfe wunderbar artikulierte Akzente setzen. Die Niederbayerische Philharmonie überrascht durch warme Klangfarben, subtile Dynamik und tänzerische Rhythmik.
Nach dem „Allegro moderato“ und der „Canzonetta. Andante“ pulst das Orchester in einer derartigen kammermusikalischen Intensität, dass Tartanis das rasante „Finale. Allegro vivacissimo“ selbst ohne ihn in einer beschleunigten Csárdás-Euphorie enden lässt. Rauschender Applaus.
Ganz anders konzipiert ist Nikolaj Rimski-Korsakows 1888 entstandene sinfonische Dichtung „Scheherazade, op. 35“, ein sinfonisches Märchenorchesterwerk, das auf den Geschichten aus „Tausendundeine Nacht“ beruht und den Kontrast zwischen dem dominanten, grausamen Sultans und der klugen Sanftmut seiner neuen Frau Scheherazade fokussiert, die durch ihr spannendes Geschichtenerzählen ihr eigenes und das Leben anderer Frauen rettet. Die viersätzige Orchester-Suite gilt inzwischen als ein Hit der russischen Konzertliteratur.
Unter dem famosen Dirigat Tartanis‘, der dem Orchester die Partitur regelrecht vorführt, erweckt die Niederbayerische Philharmonie das Werk in all seinen differenzierten, exotischen Klangfarben zwischen vehementer Wucht und subtiler Tonmalerei zum Leben. Auch hier gibt die Geige den Ton an, aber sie ist eingebettet in einen großen Orchesterklang. Schon im „Largo e maestoso – Allegro non troppo“ wird die Motivverflechtung hörbar. Die wuchtigen Schritte des Sultans verraten sein Kommen. Bläser und Pauken beschwören infernalische Macht, doch der lyrische Liebreiz Scheherazades drängt sie zurück. In den nächsten beiden Sätzen gewinnt das Lyrische Oberwasser. Geige, Fagott, Klarinette und Harfe entwickeln poetische Kantilenen, in denen die Vielfalt von Scheherazades Geschichten anklingen. Das instrumentale Dialogisieren wandelt sich in einen durchsonnten Klangteppich, als Annäherung von Prinz und Prinzessin. Kleine Soli flanieren herum, romantisch impressionistische und exotische Stimmungen leuchten auf. Im Finale trumpft infernalisches Klanggewitter auf, inklusive galoppierender Bläser und fulminanter Paukenschläge. Alles zerbricht. Nun kann sich das Lyrische entfalten. Ein wahrhaftiger „Sommernachtszauber“ – Balsam für die Seele angesichts der gegenwärtigen Weltlage.
Das Konzert „Sommernachtszauber“ ist heute noch einmal in Passau zu erleben.