©Piffl Medien GmbH, 2025
Verschneite Wälder und Berge, ein schlichtes Steinhaus direkt am Weg mit weitem Blick über das Tal, man spürt sofort den extremen Kontrast zwischen der Schönheit der Landschaft und der Schwere des Lebens. In dieser monumentalen Gebirgslandschaft im Trentino fokussiert…
die Kamera aus der Distanz oder aus unmittelbarer Nähe in langen, ruhigen Einstellungen ohne jegliche Effekthascherei auf die kargen Lebensbedingungen einer kleinen Dorfgemeinschaft. Die Menschen sind gläubig, nehmen ihr Schicksal an, sind dankbar für alles. Es wird wenig gesprochen. Was passiert, enthüllen die Bilder, deren dunkle Stimmungen ständig zwischen Geborgenheit und Bedrohung oszillieren.
Die Familie des Dorfschullehrers geprägt vom autobiografischen Hintergrund der Regisseurin wird zum Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Das Leben spielt sich zwischen Kuhstall, Klassenzimmer, Kirche und Wirtshaus ab. Eine Schüssel Milch und ein Stück Brot gibt es für jeden zum Frühstück. Im Tischgebet spiegelt sich ihre Demut und Dankbarkeit. Die drei Schwestern Lucia, 18, Ada, 16 und Flavia, 13 Jahre schlafen in einem Bett und teilen alle Sorgen und Freuden.
Der Vater wirkt zunächst gütig, im weißen Hemd sticht er heraus, liest Bücher und hört klassische Musik, freut sich über seine klugen Töchter. Doch die existentiellen Arbeiten überlässt er seiner Frau, der Magd und den Knechten. Seine Frau bekommt jedes Jahr ein Kind. Der Druck die Familie zu ernähren wird immer größer.
Ein zweiter Erzählstrang sind die Männer, die aus dem Krieg zurückkehren. Sie sind traumatisiert, sagen fast nichts, als hätte man ihnen die Zunge abgeschnitten. Zwei Deserteure arbeiten als Knechte beim Lehrer. Als sich Lucia in einen der beiden verliebt und schwanger wird, darf sie ihn heiraten. Das ganze Dorf feiert unter freiem Himmel mit. Bei Kriegsende will er seine Mutter in Sizilien besuchen, damit sie weiß, dass er noch am Leben ist. Er kommt nicht mehr zurück. Ein Mann weniger, zwei Esser mehr bilanziert der Vater.
Er sitzt allein in der Wirtsstube, Flavias Frage nach dem Blut in der Unterhose bleibt unbeantwortet, Lucias Baby schreit und strampelt allein im Ehebett, ohne von Lucia in den Arm genommen zu werden. In harten Schnitten scheint eine Welt auseinanderzubrechen. Doch es findet sich eine Lösung, nicht durch den Vater, dessen Weltbild nicht mehr zu funktionieren scheint, sondern durch die Entschlossenheit seiner Töchter, die ihr Leben trotz ihrer Enttäuschungen in die Hand nehmen.
Durch die großartigen Bilder mit Reduktion auf das Wesentliche und die distanzierte Erzählweise entwickelt der autobiografisch eingefärbte Film die Aura eines charismatischen Epos, das auch die Jurys der renommierten Filmfestivals beeindruckte.
Maura Delpeos zweiter Film „Vermiglio“ ehrte man 2024 mit dem Silbernen Bären des Internationalen Filmfestes in Venedig und bei den italienischen Filmpreisen 2025 in sieben Kategorien, u.a. für die beste Regie und das beste Drehbuch. „Vermiglio“ wurde als bester italienischer Film für die Oscarverleihung 2025 eingereicht.
Künstlerisches Team: Maura Delpeo (Drehbuch, Regie), Mikhail Krichman (Chef-Kameramann), Marina Pozanco, Vito Giuseppe Zito (Künstlerische Leitung), Gian Luca Matei (Chef-Cutter), Andrea Cavalletto (Chef-Kostümbildnerin), Matteo Franceschini (Soundtrack)
Mit: Tommaso Ragno, Giuseppe De Domenico, Roberta Rovelli, Martina Scrinzi, Orietta Notari, Carlotta Gamba, Santiago Fondevilla Sancet, Rachele Potrich u.a.
„Vermiglio“ ist nächste Woche ab 24. Juli in den deutschen Kinos zu sehen.
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