©Pavel „Pasha“ Talankin, 2024
Eine grelle Lampe in der Nacht, düstere Musik, ein Mann gräbt im Vorspann geheimnisvoll in der Erde. Der Film „Mr. Nobody Against Putin“ beginnt…
zwei Jahre früher in Karabasch, einer russischen Industriestadt im Südural mit der stärksten Umweltverschmutzung. Trotzdem fühlt sich Pasha Talankin wohl. Er ist Event Coordinator in einer russischen Schule. Nach einer schwierigen Kindheit, in der er sich immer anders als alle anderen und sehr einsam gefühlt hat, ist die Schulgemeinschaft zu seiner Familie geworden. Mit Begeisterung organisiert er Feste und filmt sie für die russischen Nachrichten als Beispiel einer Vorzeigeschule. Doch mit dem Ukrainekrieg verändert sich vieles. Die Kinder lernen ganz neue Wörter und Inhalte, warum der Ukrainekrieg für Russland so wichtig ist, was Denazifizierung und Wirtschaftsblockaden bedeuten. Immer stärker rückt die Schulung nationalen Bewusstseins in den Vordergrund, vor allem im Geschichtsunterricht, der immer wieder gefilmt russlandweit über die Nachrichten als pädagogische Leitlinie verbreitet wird. „Wer seine Heimat nicht liebt, ist ein Parasit“ bläut der Geschichtslehrer den Kindern ein. Durch die nicht genauer erklärte Wahl zum beliebtesten Lehrer Russlands wird er zum Vorbild politischer Indoktrination von Kindern und Jugendlichen. Das Kollegium hilft mit. Doch in der Bevölkerung wächst gleichzeitig die Sorge um die Söhne, die plötzlich einberufen werden.
Pasha wird immer nachdenklicher. „Lieben kann man nur, wenn der Balkon weit offen ist.“ Er fühlt sich zunehmend eingeschränkt, wie in einen Raum gesperrt, in dem die Luft entweicht, wenn er systemkonform nationalistische Szenarien filmt, einen Autokonvoi mit den Nationalfahnen oder lackierte Fingernägel in den Nationalfarben, die Kinder beim Vorlesen von patriotischen Texten oder beim Bauen von Lego-Kampfflugzeugen. Schüler werden auf militärischen Marschschritt gedrillt und lernen im Sportunterricht Granatenwerfen. Als Propagandist für den Krieg fühlt sich Pasha immer unwohler.
Als er über Instagram eine Anfrage vom BBC bekommt einen Film zu drehen, gewinnt er neue Kraft, fühlt sich nicht mehr als Handlanger, sondern als Regisseur, der sich allein vor verblichener Blümchentapete inszeniert und über die Bedeutung der Lehrer in dieser Situation räsoniert. Junge Menschen wissen noch nicht, wie sie leben wollen, werden durch die Propaganda manipuliert, statt sie zu durchschauen und ehrlich zu sagen „Wir haben ein Problem.“ Als er statt des russischen „Z“ auf die Fenster eines Altbaus das „X“ des ukrainischen Widerstands klebt, fühlt Pasha die wachsende Distanz zu seinem sozialen Umfeld. Er organisiert noch die Abschlussfeierlichkeiten dieses Jahrgangs und gräbt, wie das Ritual es vorsieht einen jungen Baum aus, um ihn in der Schule als Lebensbaum zu schmücken, womit der geheimnisvolle Vorspann eine ganz realistische und optimistische Bedeutung bekommt, statt begraben, ausgraben und sich an anderer Stelle weiterentwickeln. Er hält noch eine bejubelte Festrede, lässt sich von den Jugendlichen feiern und zieht die Konsequenzen. Obwohl er seine Heimat über alles liebt, flüchtet aus er aus Russland.
Ganz unaufgeregt, aus seiner persönlichen Sicht beleuchtet Pasha Talankin in seinem Dokumentarfilm die russische Propagandamaschinerie Putins. Auf gleicher Augenhöhe filmt er Schüler und Lehrer und entdeckt in ihren Augen die individuellen Verschattungen, die den befohlenen Heroismus wortlos hinterfragen, doch aus Vaterlandsliebe ertragen. Er selbst fühlt sich als „Mr. Nobody Against Putin“ Mit seinem Film hat er über Russland hinaus eine nachdrückliche Parabel über populistische Manipulationsstrategien in autoritären Staaten geschaffen.
Regie: David Borenstein (Drehbuch, Regie), Pavel „Pasha“ Talankin (Co-Regie, Kamera, Protagonist)
David Borenstein ist ein US-amerikanischer Journalist und Filmemacher. Sein Film „Dream Empire“ gewann den Hauptpreis in Thessaloniki und eröffnete das Dok.fest München 2016. „Mr. Nobody against Putin“ erhielt 2025 auf dem Sundance den Special Jury Award.
Pavel „Pasha“ Talankin, der Protagonist des Films, stammt aus der Stadt Karabasch in Russland, wo er als Koordinator für außerschulische Aktivitäten an einer örtlichen Schule arbeitete. Im Juni 2024 verließ Talankin Russland und lebt nun im Exil.
Zu sehen ist „Mr. Nobody Against Putin“ in Russisch mit englischen Untertiteln am 08.05.25, 18:30 im Deutschen Theater, 14.05.25 20.30 im Atelier 1, 15.05.25, 18.00 im City 3, SA., 17.05.25, 11.00 im HFF – Audimax