©Kammerspiele Landshut
Freundschaft als Investitionsanlage? Wie kann man seine Freizeit optimieren, sich langweiliger Kontakte entledigen, um mehr VZF, verfügbare Zeit für Freunde zu haben? Mit ihrem Stück „Abschiedsdinner“ geht das erfolgreiche Autorenteam…
Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière, deren Boulevard-Bestseller „Der Vorname“ 2013/14 zum meist gespielten Stück avancierte, mit dem „Abschiedsdinner“ in die Fortsetzungsrunde. Aus der Vierer- wird eine Dreierkonstellation als satirisches Spiegelbild der wohlhabenden Mittelschicht. Stein des Anstoßes ist nicht mehr „Der Vorname“ des Kindes, sondern all die Zeitverschwendung durch langweilige Dinners mit nichtssagenden Menschen. Mit einem „Abschiedsdinner“ wollen sich Pierre und Clotilde ihrer langweiligen Freunde entledigen, um Platz für neue spannende Kontakte zu bekommen. Ihr erstes Opfer ist Pierres Jugendfreund Antoine, dessen narzisstische Endlosmonologe mit aufgesetzter Mimik und künstlichem Gelächter nerven, und seine Frau Bea, die sich wegen eines Theaterauftritts entschuldigen lässt. Pierre durchschaut das Spiel, weil es längst Mode ist und er diesbezüglich schon Erfahrungen sammeln musste. Man kredenzt einen Wein aus dem Geburtsjahr des Gastes, empfängt ihn mit seiner Lieblingsmusik und Requisiten aus früheren Zeiten, bietet Gazpacho mit Wachteln an. Pierre und Clotilde fühlen sich ertappt, ziehen aber resolut ihr Vorhaben durch. Doch Antoine lässt sich nicht so schnell abwimmeln und schlägt einen Rollentausch vor. So schaukelt sich das Abschiedsdinner zur satirischen Lachnummer hoch, nicht ganz so pointiert wie in „Der Vorname“, aber amüsant durch viele intellektuelle Seitenhiebe, vor allem durch das ausdrucksstarke Spiel von Stefan Lehnen (Antoine), Andrés Mendez (Pierre), Kathrin von Steinburg (Clotilde).
Regisseurin Jule Ronstedt verzichtet auf jeglichen Naturalismus. Glatte Einbauwand davor ein extremer langer Küchenblock als Tisch, ein Ficus daneben spiegeln trendbewussten Lebensstil und emotionale Kälte. Antoine mit seiner muffigen Jacke, weil er seinen Mantel einem Penner überlassen hat, passt natürlich nicht mehr in dieses Umfeld. Sein pathetisches Gelächter, von Clotilde im Vorfeld bestens karikiert, wird zum Running Gag, genauso wie seine indisch angehauchte Body Performance. Er ist durch und durch ein Selbstdarsteller auf der Suche nach Zuhörern, Pierre dagegen ein Pantoffelheld, Clotilde die knallharte Karrierefrau und Bea trotz Abwesenheit eine sich auslebende Emanze, die in sich ruht, nicht mehr spricht, sondern ihren Körper sprechen lässt, inklusive Stinkefinger ausgesprochen sarkastisch wie eine Kabarett-Nummer von Rebecca Seethaler karikiert. Durch flottes Timing und extrem präzise Personenregie steigert sich die Inszenierung von einer Eskalationsstufe zur anderen bis zum Nahkampf eines temperamentvoll ausartenden Rollentauschs. Wozu das alles? Um „den anderen zu verstehen“. Ein Happy-End gelingt, gleichzeitig droht eine andere menschliche Dysbalance. Stück und Inszenierung kommen beim Publikum bestens an. Jede Ausstellung ist ausverkauft.
Künstlerisches Team: Jule Ronstedt (Regie) Irina Kollek (Bühne), Leander Griwodz, Erika Höcht (Licht), Rebecca Seethaler (Dramaturgie)
Mit: Stefan Lehnen, Andrés Mendez, Kathrin von Steinburg