"Kultur macht glücklich"


Berlin – Michael Frayns Boulevardkomödie „Der nackte Wahnsinn“ im Berliner Ensemble 

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Berlin – Michael Frayns Boulevardkomödie „Der nackte Wahnsinn“ im Berliner Ensemble 

©Berliner Ensemble, Foto: Jörg Brüggemann

Ein Teil des Publikums gluckst, amüsiert sich. Kein Wunder, das Berliner Ensemble spielt in Höchstform. In Michael Frayns berühmter Boulevardkomödie „Der nackte Wahnsinn“ (1982) über eine verunglückte Theaterinszenierung kann es sich in grotesker Übertreibung austoben. Peter Bogdanovichs Verfilmung hypte Stück und Autor international. Inzwischen etwas antiquiert wird es doch immer wieder gespielt. Es als Premiere im Berliner Ensemble zu finden irritiert, zumal die Inszenierung keinerlei neue Ideen bietet… 

Der Regisseur eines Tourneetheaters ist am Verzweifeln. Nichts funktioniert. So bleibt nichts anderes übrig als die „Premiere einfach als Generalprobe“ zu nehmen. Die Haushälterin will sich gerade einen gemütlichen Abend mit Sardinen machen und ahnt nicht welche Turbulenzen entstehen, als der Makler mit einer kessen jungen Dame zu einem Tete-a-tete anreist, kurz darauf der Besitzer mit seiner Frau und schließlich noch ein Einbrecher. Der zweite Teil spielt Backstage, dieselbe Story noch schneller, gewürzt mit kampflustigen Eifersüchteleien.

Theaterkritik Frayns "Der nackte Wahnsinn" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Berliner Ensemble, Foto: Jörg Brüggemann

Teil 3 ist die 133. letzte Vorstellung, pures Chaos mit einer inzwischen völlig abgehalfterten Crew.

Regisseur Oliver Reese inszeniert werkgetreu, ohne textliche Aktualisierungen, verortet kostümmäßig adäquat in den 1980er Jahren, behält das übliche Bühnenbild auf zwei Ebenen mit einer Treppe links und neun Türen bei, deren Knallen den Drive des Stücks signalisieren. Backstage wird alles noch maroder. Im Stil der Commedia dell’Arte entwickelt sich ein fetziges Hauen und Stechen, das im dritten Teil trotz körperlicher Lädiertheit der SchauspielerInnen nochmals getoppt wird, wenn sie durch die Kulissen knallen. 

Unter Reeses Regie entwickelt das Ensemble ein Panoptikum körperlicher Verrenkung und geistiger Konsternation, allen voran Kathrin Wehlischs exaltiert verschobener Cat Walk und Pauline Knof, extrem kurzfristig für Lili Epply eingesprungen, als automatisiertes Girly-Püppchen, das nur Plattitüden von sich gibt. Marc Oliver Schulze als Makler wagt waghalsige Stürze. Peter Moltzen (Hausbesitzer) klebt an seinem Steuerbescheid und den Sardinen im wahrsten Sinne des Wortes fest. Sogar seine souveräne Gattin verliert in diesem Tohuwabohu die Nerven, das der Regisseur (Gerrit Jansen) durch seine Amouren noch befeuert. Nur Wolfgang Michael (Einbrecher) bewahrt seine Contenance und bedauert seinen sozialen Abstieg vom Bankräuber zum wenig ergiebigen Hausdieb. Das Timing ist phantastisch, durch die live Begleitung musikalisch witzig untermalt. Die leitmotivischen Requisiten immer am falschen Platz folgt ein Running Gag dem nächsten. Und trotzdem bleibt ein flaues Nachgefühl. Angestaubtes Boulevardtheater passt so gar nicht zum Berliner Ensemble. 

Künstlerisches Team: Oliver Reese (Regie), Hansjörg Hartung (Bühne), Elina Schnizler (Kostüme), Jörg Gollasch (Musik), Steffen Heinke (Licht), Johannes Nölting (Dramaturgie). 

Mit: Kathrin Wehlisch, Marc Oliver Schulze, Pauline Knof, Peter Moltzen, Constanze Becker, Wolfgang Michael, Gerrit Jansen, Nina Bruns, Joyce Mayne Sanhá, Peer Neumann.