Die Wortwahl hat sich geändert, nicht das Faktum der Ausgrenzung von Ausländern. Um diese These zu zementieren, beschreibt Gilda Sahebi die verschiedenen Strategien des Rassismus in Deutschland angefangen von der Reichsgründung 1871 über deutschen Kolonialismus, die Flüchtlingsströme im 20. und 21. Jahrhundert infolge von Kriegen, die Gastarbeiterimmigration bis zum Erfolgskurs der AFD. Egal welche Epoche Gilda Sahebi bezüglich der Fremden in Deutschland analysiert, sie deckt mit akribischer Genauigkeit diskriminierende Narrative auf…
©S.Fischer Verlage, 2024
Als studierte Politologin und freie Journalistin setzt Gilda Sahebi bei der Analyse der sprachlicher Formulierungen ein und belegt sie mit archivarischer Sammellust. Insbesondere am Beispiel der berüchtigten Übergriffe in Köln Silvester 2018 macht sie die Muster der rassistischen Berichterstattung transparent, wobei das Narrativ vom importierten Phänomen sexueller Aggressivität durch Migranten und Flüchtlinge weitergesponnen und sprachlich durch Naturkatastrophenmetaphern wie „Ansturm“, „Lawine“ oder „Schwemme“ intensiviert wird. Im Schock erfolgten Opferaussagen, die von Journalisten sensationssüchtig zitiert wurden, anstatt die genaueren Zusammenhänge darzustellen. Sahebi geht mit allen Parteien, den Linken und Rechten, selbst mit den Gutmenschen ins Gericht, die durch ihre Statements spalten statt verbinden. Argumente, dass Abwehrhaltungen entstehen, weil einfach zu viele Flüchtlinge und Migranten nach Deutschland kommen, lässt sie nicht gelten. Die Analyse, warum ausgerechnet nach Deutschland so viele Menschen nach Deutschland kommen, klammert sie aus. Kulturelle Unterschiede sind für sie kein Argument, da alle Menschen gleich zu behandeln sind. Wenn eine Argumentation derart auf das Negative verengt, wird sie der gesellschaftlichen Komplexität nicht mehr gerecht. Dann passiert genau das, was Sahebi verhindern will. Sie spaltet statt zu verbinden. Der Deutsche ist rassistisch und der Migrant das Opfer.
Gilda Sahebi ist ausgebildete Ärztin und studierte Politikwissenschaftlerin. Sie arbeitet als freie Journalistin mit den Schwerpunkten Rassismus, Frauenrechte, Naher Osten und Wissenschaft für die „taz“, den „Spiegel“,„Die Zeit“ und die ARD. Der „Focus“ ernannte sie 2022 zu einer der „100 Frauen des Jahres“, das „Medium Magazin“ zur Politikjournalistin des Jahres 2022. Im März 2023 erschien ihr viel beachtetes Buch „Unser Schwert ist Liebe. Die feministische Revolte im Iran.“ Gilda Sahebi lebt in Berlin.
Gilda Sahebi „Wie wir uns Rassismus beibringen. Eine Analyse deutscher Debatten“, S. Fischer Verlage, Frankfurt a. Main, 2024, 460 S.