Patrick Bringley „All die Schönheit dieser Welt“ 

Buchkritik Patrick Bringley „All die Schönheit dieser Welt“ präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Ich hatte jemanden verloren und wollte nirgendwo hin“, bekennt Patrick Bringley, nachdem sein älterer Bruder an Krebs gestorben war. Er geht nicht als Journalist zum „New Yorker“, um Karriere zu machen, sondern bewirbt sich als Museumswärter im Metropolitan Museum, wo er über die Betrachtung der Kunstwerke Ruhe, Entspannung und „All die Schönheit dieser Welt Welt“ findet…

©Allegria Verlag, 2023

In 12 Kapiteln schildert er, wie er seine Zeit mit den großen Meistern der Kunst verbringt und sich deren Werke mit seinem Leben verbinden. Jeder Saal hat eine andere Aura. Jedes Kunstwerk, insgesamt 9000 Artefakte, ist ein Fenster hinaus in die Welt, beleuchtet eine Facette des Lebens und die Facetten von Bringleys Denken. Die Magie der Kunst überträgt sich auf sein Lebensgefühl, wodurch Vergangenheit und Gegenwart zu einer ganz speziellen Atmosphäre fusionieren und die Begeisterung für die Kunst menschliche Alltäglichkeiten als Nichtigkeiten offeriert. Bringley muss nicht einmal die Augen schließen, um zu fühlen, was er fühlen will. Im Museum wird jeder Tag zum wunderbaren Erlebnis.

Das Metropolitan Museum ist ein gigantischer Bau. Er erstreckt sich über vier Straßenblocks, ist so groß wie 3000 durchschnittliche Wohnungen. 2000 Mitarbeiter sorgen dafür, dass alles funktioniert und die sieben Millionen BesucherInnen pro Jahr den Kunstgegenständen nicht zu nahe kommen. 

Bringley schreibt aus der Perspektive des Wärters, gewandt wie ein Journalist und dramaturgisch wie ein Romancier, indem er ständig mit den Kunstwerken dialogisiert. Quer durch die Epochen findet er in ganz unterschiedlichen Arbeiten Vorbilder und Inspirationen, insbesondere in den Räumen der Alten Meister und der christlichen Kunst. Er will nicht über Kunst, sondern von der Kunst lernen. 

Gleichzeitig bändigt er Schulklassen und beantwortet die Fragen der Kinder zu den Mumien. Auch balsamiert endet das Leben im Tod. Bei den afrikanischen Artefakten steigt Melancholie auf. Er weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie im Zuge der kolonialen Beuterückgabe wieder in ihre Heimat zurückkehren. 

Der Überfluss an Zeit im Museum wird Bringley noch bewusster nach seiner Auszeit wegen der Geburt seines Sohnes. Mit dem zweiten Kind wird der Kontrast zwischen dem familiären Hin und Her und der stillen Kunstbetrachtung noch größer. Jetzt hat er in erster Linie den Alltag zu bewältigen. Er bekommt die Chance im Met Breuer zu arbeiten, dessen geradlinige, modernistische Räumlichkeiten von wenigen Dutzend Wärtern beaufsichtigt werden kann und durch die Exponate „Unvollendet“ wirkt, aber gerade dadurch den Schaffensprozess in den Mittelpunkt rückt, wodurch Bringley bewusst wird, wie auch er als Vater zweier Kinder selbst etwas erschaffen kann.

Zehn Jahre arbeitet Bringley im Metropolitan Museum. Als er geht, weiß er, dass er wiederkommen wird. Nach nur vier Jahren  schließt das Met Breuer wegen der hohen Kosten wieder. Auch ein derart berühmtes Haus muss experimentieren und sich neu erschaffen. Eine spätere Ausstellung über zeitgenössische Einsicht bringt ihm die Erkenntnis, dass gerade Menschen unter größten Restriktionen große Kunst hervorbringen, indem patchworkartige Anstrengungen unternehmen, um etwas Schönes und Großes hervorzubringen.

„All die Schönheit dieser Welt“ ist sicherlich nicht jedermanns Geschmack, aber für Kunstliebhaber ein unterhaltsame Lektüre und eine wunderbare Einstimmung für einen Besuch in der Metropolitan Museum. 

Patrick Bringley „All die Schönheit dieser Welt“, Allegria Verlag, Teil der Ullstein Verlage, Berlin 2023, 319 S.