©Dumont Verlag, 2023
Bevor der Pornoskandal an die Öffentlichkeit drang, hatte Michel Houellebecq bereits durch seine antiislamischen Aussagen in einem Interview mit Michel Onray für eine Sonderausgabe der Zeitschrift „Front Populaire“ eine heftige gesellschaftliche Kontroverse ausgelöst, mit deren Rechtfertigung diese problematischen Monate im Leben Houellebecqs beginnen. Mit protokollarischer Trögheit stellt er den Originalzitaten seine fünfmal so langen Erläuterungen gegenüber, in denen er seine rassistischen Aussagen deutlich vom religiösen Kontext trennt. Das Problem der gesellschaftlichen Spannungen ist nicht der Islam, sondern die Kriminalität. „Einen Bürgerkrieg in naher Zukunft“ hält er für möglich, falls die Armee nicht mehr in bestimmte Gebiete einrücken könnte und die kleine Gruppe von Salafisten die Oberhand gewinnt. Revolutionen entstehen immer durch Minderheiten.
Abrupt holt er chronologisch zur Rechtfertigung seines Pornoskandals aus. Schon durch die Namensgebung seiner Kontrahenten begibt er sich auf deren Niveau. Den Pornofilmer, ein niederländischer Psyeudokünstler, degradiert er zum „Kakerlak“, seine Begleiterin zur „Viper“, eine junge Philosophiestudentin und Houellebecq-Verehrerin, die ihn gerne vögeln würde, wird zur „Sau“ und eine weitere Sexgespielin zur „Pute“. Es folgt ein detaillierter Exkurs über die lustvollen Praktiken von Sex zu dritt als „eine harmlose Zerstreuung“, die Qualitätsstufen von Pornos, womit er sich als „Langsamdenker“ und Betrogener die Affäre rein schreiben will, stattdessen selbst in die Ecke der Pornografie abgleitet und sich immer mehr blamiert, auch wenn er sich durch Bezüge quer durch die Kulturgeschichte argumentative Unterstützung holt. Waren die Sexexkurse bislang in seinen Büchern als fiktive Projektionen, wenn auch sehr autobiografisch gefärbt, durch die Einbettung in gesellschaftliche Spannungen und komplexe, höchstaktuelle Problematiken als typisches Houellebecq-Detail hinnehmbar, kreisen „Einige Monate meines Lebens“ von den ersten zehn Seiten abgesehen nur noch um Pornografie. Es ist ein rein persönlicher Reinwaschungsversuch eines Narzisten, der gut austeilen, aber anscheinend nur schwer einstecken kann, Journalisten und Richter generell aburteilt und sich zudem hybrid für den Nabel der Welt hält, wenn er überlegt, ob er mit diesem Buchprojekt riskiere, diesen Kakerlak unsterblich zu machen. Dieses Buch, ab heute auf dem deutschen Büchermarkt erhältlich, ist vielmehr Teil 3 dieser desaströsen Monate in seinem Leben.
Michel Houellebecq „Einige Monate in meinen Leben – Oktober 2022 – März 2023“, Dumont Verlag 2023, 100 S.