©Michaela Schabel
Egal bei welcher der fast 30 S-Bahnstationen man einsteigt, das Ticket gewährt eine komplette Stadtrundtour, wobei man durch West-, Süd-, Ost- und Nordkreuz kurz bzw. in Gegenrichtung kommt. Gut eine Stunde dauert die Rundfahrt. Man erlebt die ungewöhnlich geografische Größe Berlins, wie viel Raum Berlin noch zur Verfügung steht. Obwohl beide Ringbahnen, die S 41 und S 42 durch den Stadtbereich führen, ist der Bahndamm oft Grünzone, zuweilen idyllisch wie in einem Hohlweg. Andererseits zeugen auf beiden Seiten der Bahnstrecke neue Büro- und Industriebauten auf von einer enormen Bautätigkeit. Wie Monolithe stehen etliche Bauten auf Brachland, wo Gerümpel sich stapelt. Man denkt unwillkürlich an Karl Scheffers berühmten Satz von 1910 „Berlin verdammt dazu, ewig zu werden, niemals zu sein.“
Während sich diese Eindrücke ständig wiederholen, wirkt das soziale Abbild in der S-Bahn viel facettenreicher. Je nach anvisiertem Stadtviertel ändert sich die soziokulturelle Struktur der Fahrgäste, vorwiegend im gesellschaftlichen Mittelfeld und darunter angesiedelt. Wer Geld hat, leistet sich ein anderes Mobilitätsverhalten.
Auf der Strecke zwischen Tempelhof, Hermannstraße, Neukölln und Sonnenstraße nimmt der arabischen Multikulti-Anteil stark zu. Wohlerzogene Kinder neben sich balgenden und boxenden Sprösslingen südländischen Temperaments, vorwiegend müde ausgemergelte Menschen, immer wieder bettelnde Drogensüchtige. Zwischen den Bahngleisen mehrt sich der Müll. Doch wenn man Zwischenstation macht, ist man verblüfft. Schon die Formulierung Hermann-Quartier verweist auf die seit einigen Jahren stattfindende Gentrifizierung Neuköllns mit relativ gepflegten Cafés gleich am Ausgang der S-Bahn. Geht man etwas die Straße entlang entdeckt man in einem aufgelassenen Friedhof mitten im Gerümpel von Bretterbuden und Gartengeräten das alternative Restaurant „Prinzessinen-Gartet“.
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Längst sind Dienstleistungen und Kleinhandel in arabischer Hand. Die häufigste Kopfbedeckung der Mädchen und Frauen das Kopftuch.
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Tagsüber wirkt das alles sehr friedlich. Doch das Konfliktpotential ist im südlichen Neukölln extrem hoch. Wer es sich leisten kann, zieht weg. Das wird allerdings in Berlin genauso wie die Verkehrssituation immer schwieriger. Brechend voll sind zumeist die Fahrradabteile. Berlin möchte Fahrradstadt werden. Der Weg dahin ist noch weit.