©Bernd Uhlig
Vor kupferglänzender Wand liegen die TänzerInnen wie zerschlagen, ineinander verschlungen auf dem Boden. Ein Schlachtfeld, das sich ganz langsam reanimiert. Durch Schatten intensiviert vollzieht sich die Darwinsche Evolution vom Vierfüßler in die aufrechte Haltung des homo sapiens, das in einem tänzerischen Feuerwerk kulminiert, in einem ständigen Oszillieren zwischen Angriff und Verteidigung, Kampf und Solidarität, Lethargie und Dynamik, Ausscheren und Integration des Einzelnen. Die archaische Trennwand bleibt. Indem sie sich verschiebt, wird sie zum wichtigen Akteur, Ausdruck fremder, nicht durchschaubarer Macht, die neue Spaltungen verursacht, abdrängt, verdichtet und am Schluss von der Decke nach unten sinkend alles unter sich zermalmen würde, gelänge den TänzerInnen nicht im letzten Moment die Flucht.
Synchron mit der Musik, die sich unter dem Dirigat von Ilan Volkow nicht in den Vordergrund drängt, kreiert das künstlerische Team um Sasha Waltz in aufsteigenden und fallenden Linien, Nähe und Ferne, Retardation und Beschleunigung einen großartigen Tanzabend, in dem jedes Detail die Gesamtwirkung unterstützt. Die raffiniert konzipierten Kostüme nude oder schwarz mit weiten Tellerröcken, ungewöhnlichen Ausschnitten an der Taille, den Rücken entlang unterstreichen die Bewegungsdynamik, lassen die Hautpartien plastisch aufleuchten.
©Bernd Uhlig
Zwei Tänzerinnen kontrastieren zuweilen in Weiß. Sie lassen Hochzeit und Frieden assoziieren, Sequenzen in Rot die immense Kraft weiblicher Emotionalität.
Die TänzerInnen faszinieren bei aller durchchoreografierten Komplexität durch individuelle Dynamik und Ausstrahlung, verwandeln sich in Gruppierungen hüpfend, springend zu akustisch hörbaren Kampffeldern, in fliegende Wurfgeschosse gleichsam Raketen. In geometrischen Linien und Figuren entdeckt Sasha Waltz die Kraftfelder des Gegen- und Miteinander, die sie mitunter einfriert und wieder langsam belebt. Der Kreis wird zur Burg der Solidarität, die Rückenlinie gebeugter TänzerInnen zum Fluchtweg. Doch nicht die Tänzerin läuft darüber, sondern, der kaum sichtbare Tänzer, der sie in luftiger Höhe hält. Mit komplexen Verdrehungen, Hebungen, rasant zielenden Armschwüngen dynamisiert Sasha Waltz die „Sym-Phonie MMXX“ und zwingt den homo erectus doch wieder in die Niederungen, sich auf allen Vieren aus dem Staub zu machen.
Künstlerisches Team: Sasha Waltz (Choreographie, Konzept, Regie), Pia Maier Schriever (Bühnenbild), Bernd Skodzig (Kostüme), David Finn (Licht), Ilan Volkov (Musikalische Leitung der Staatskapelle Berlin)
Es tanzen die TänzerInnen von Sasha Waltz & Guests.