©Landestheater Niederbayern, Peter Litvai
In einer übersichtlichen Vierer-Konstellation, Nick auf der Seite des globalen Kapitals, der Iman, Bashir und Dar, ein einfacher Soldat, als Vertreter des in Not lebenden pakistanischen Volkes, gelingt es Ayad Akhtar die politischen Manipulationen der Menschen durch die finanziellen Machenschaften an der Börse offenzulegen. Als Sohn pakistanischer Einwanderer in den USA geboren weiß Ayad Akhtar um die Problematiken in seinem Land, wo Menschen ihren nationalen Idealismus gegen Eigeninteressen eintauschen. Er konstruiert sein Stück raffiniert um Börsenspekulationen, wodurch „Die unsichtbare Hand“ des Marktes zur Metapher für die Gier nach Macht wird. Jeder hat dabei sein ganz persönliches Ziel im Auge, Nick, sein persönliches Renommee und jetzt seine Freiheit, um zu Frau und Kind zurückzukehren, gespiegelt von Dar auf der armen Seite, der auch etwas besser leben möchte, aber als gehorsamer Diener jeden Befehl auszuführen hat. Der Iman argumentiert für das Wohl des Volkes, schafft aber das Geld privat zur Seite. Bashir, verletzt vom erlebten Rassismus beim Studium in Europa, reagiert explosiv, lernt aber in jeder Beziehung schnell dazu und wird noch viel rigider nach dem Motto, zuerst kommt die Revolution, dann der Wohlstand. „Ohne Opfer geht es nicht.“
Die Stärke des Stücks ist, mit welcher fundierten Sachlichkeit und Einfachheit Ayad Akhtar die Börsenspekulationen in Bezug zu religiösen Fragestellungen bringt und Nick, das westliche Weichei, mit islamischem Militarismus konfrontiert. Eine karge Gefängniszelle verwandelt Ausstatter Klaus Gaspari zum menschlich hochexplosiven Ort. Sich nach hinten verengend, mit wandbreiten Gitterstäben, tiefer Decke, kleiner Tür, durch Lichteffekte und das Rauschen der Drohnen wird ständig höchste Lebensgefahr signalisiert. Jedes Gespräch gewinnt an Bedeutung über Leben und Tod. Nichts ist gewiss und ständig ändern sich die Parameter für Nicks Arbeit. Je mehr er die Machenschaften des Imans aufdeckt, desto stärker werden dessen Repressionen.
Obwohl schon die Online-Premiere im März, ebenfalls in diesem Kulturblog besprochen, vergangenen Jahres sehr spannend war, wirkt die Bühnenfassung noch intensiver, weil man immer die ganze Bühne im Auge hat, die Schauspieler durch ihre Nähe, sofern man in den ersten Reihen des Parketts sitzt, eine mitreißende Aura entwickeln, in der jede Figur sehr authentisch zur Wirkung kommt. Stefan Sieh als Nick verwandelt sich vom versierten Trader in ein Nervenbündel, das Damoklesschwert im Nacken, sein Lösegeld nicht erwirtschaften zu können. Seine Augen flackern, die Hände zittern. Das Geburtstagsvideo für seinen Sohn endet in einem Weinkrampf. Zusammengeschlagen krümmt er sich am Boden. Er beginnt zu halluzinieren, das „Vater unser“ zu beten, ohne wirklich gläubig zu sein. Alexander Nadler gibt dem Imam, ganz in Weiß, den Nimbus des weisen Mannes.
©Landestheater Niederbayern, Peter Litvai
Er argumentiert ganz ruhig, trifft genau und überzeugend den wunden Punkt menschlichen Versagens und offeriert, bei Widerspruch den Stock auf den Tisch knallend, offeriert er die grausame Seite dieser Figur. Blutüberströmt überzeugt er auch als malträtiertes Opfer des Ziehsohns.
Den zu spielen ist die schwierigste Rolle. Julian Niedermeier wandelt sich vom frustrierten Aggressivling zum gierigen, immer skrupelloseren Shorter, der sich selbst sein Insiderwissen arrangiert, dann zum smarten Iman, bei dem man sich fragt, wie lange der Idealismus für das Volk wohl anhalten wird, wobei Julian Niedermeier zwischendurch fast ein wenig zu sympathisch wirkt.
©Landestheater Niederbayern, Peter Litvai
Julian Ricker verdeutlicht als meist schweigender Soldat allein durch seine Präsenz militärische Härte und menschliche Erniedrigung. Mit der Waffe auf Nick zielend, den Menschen, der ihm durch Erntespekulationen das Geldverdienen beigebracht hat, gelingt eine der berührendsten Szenen. Julian Ricker kreierte auch die subtile Hintergrundmusik, in der harte Technobeats die orientalischen Klänge mit zunehmenden Spekulationen ersetzen. Diese Inszenierung sollte man auf keinen Fall verpassen.