Regensburg – Ballett – „Der Tod und das Mädchen“

Tanzkritik von "Der Tod und das Mädchen" in Regensburg präsentiert schabel-kultur-blog.de

Alles in Schwarz, vernebelt,  pulsierende Herzfrequenz, lauter Atmen, der Tod ist spürbar. Das Mädchen  kämpft dagegen, in blitzschnellen Bewegungen, abrupten Drehungen, verzweifelter Gestik. Lautlos fällt sie zu Boden und bäumt sich wieder. Im Spiegel ein Tänzer der ihre Bewegungen dupliziert. Der Tod nähert sich. Der Agonie folgt durch Lichtwechsel noch einmal das Leben in den Erinnerungen. Durch neun verspiegelte Türen, die sich zu raffinierten inneren Erlebnisräumen formieren, kommen ebenso viele Tänzerinnen und Tänzer, eröffnen in  mitreißender energetische Tanzenergetik die liebevollen Erinnerungen des Mädchens und agieren gleichzeitig als Boten des Todes. Mit einem riesiges schwarzen Tuch überschatten sie das Mädchen. Sie wirbelt darin herum wie in einem Strudel und dreht sich heraus mit offenen Armen wieder dem Leben entgegen. Die Oberteile der Kostüme strahlen nun in Blau, Grün, Kupfer. Das Leben funkelt in liebevollen Umarmungen, zärtlichen Drehungen, in immer neuen Tanzbewegungen pulst das Leben als Miteinander in rasanten Tempo, absolut im elektrisierenden Rhythmus aus Schuberts Streicherquartett „Der Tod und das Mädchen“ collagiert mit Musik von O´Halloran, Bosso, Arnalds, Einaudi und Richter. Die Erinnerungen  an lieb gewonnen Menschen geben dem Mädchen die Kraft selbst die Türen zu öffnen. Die Leere dahinter machen sie neugierig. Sie wagt den Schritt ins Nichts und verschwindet in goldenen Lichtrausch.

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©Jochen Klenk

In großartigen Bildern entwickelt Yuki Mori „Der Tod und das Mädchen“ als philosophisch stringentes Tanzstück. Es ist ein Meisterwerk, in dem jedes Detail stimmt, vom Ensemble, allen voran von Rei Okunishi nicht nur ausdrucksstark, in ihrer spezifischen Körpersprache getanzt, sondern regelrecht gelebt. Yuki Mori choreografiert  Szenen, die unter die Haut gehen, deren magische Kraft und Farbsymbolik  an  traumatische Welten  Haruki Murakamis denken lässt.

Ganz anders arbeitet Fabian Prioville. Stark geprägt von seinen Erfahrungen als Tänzer bei Pina Bausch präsentiert er in Zusammenarbeit mit dem Ensemble unter dem Rahmenthema „Kontraste“ Tanzszenen über „die kleinen Dinge, die verschwinden“ ganz im Stil des Wuppertaler Tanztheater.

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©Jochen Klenk

Die Bühne (Monika Frenz) wird zuerst leer geräumt, die Kostüme (Louise Flanagan) bleiben, nur etwas alltäglicher, im Trend der Zeit zerschlissener. Die Tänzer kriechen herein, einer balanciert oben, sozusagen als programmatischer Unterbau, nur wenn alle zusammen helfen, kann der Einzelne brillieren. Unterschiedlichste Szenen  reihen sich wie Kurzgeschichten aneinander, enden mit oder ohne Pointen mit Schwerpunkt auf  pantomimischer, clownesker und theatraler Darstellung.  Und was geht verloren? Die Spur führt entlang der Rollenemanzipation.  Was verliert die Frau, eingehüllt im Himmelblau einer Ehe? Andererseits, wo findet die Frau Schutz, wenn man ihr den häuslichen Tisch nimmt. Wer trägt in der homosexuellen Beziehung den Rock als Symbol der Weiblichkeit? Wo bleibt in der Vermassung die eigene Identität? Was geht verloren, wenn die Zunge zur noch zum überzogenen Disputieren benutzt wird? Das ist teilweise durchaus amüsant dargestellt und beweist, dass das Regensburger Ensemble auch diese Version des Tanztheaters als Performance beherrscht und hier die Individualität der einzelnen Tänzer in den Vordergrund stellt.

Jubel gab es für beide Choreographien, ganz besonders für Yuki Mori, der nach dieser Spielzeit das Regensburger Theater verlassen. Mit „Der Tod und das Mädchen“ schenkt er dem Ensemble und dem Publikum einen grandiosen Abschluss. Man darf auf seine letzte Inszenierung „Gefährliche Liebschaften“ ab 16. Februar gespannt sein.

Michaela Schabel